Die erste in der Ukraine Ausstellung der „Borysivka“-Ikonen wurde im Ivan-Hotsnchar-Museum eröffnet. Hier sind ukrainische Ikonen vertreten, die im historisch als Slobozhanshchyna bezeichneten Teil der Ukraine gegen das Ende des neunzehnten und im frühen zwanzigsten Jahrhunderten gemalt wurden. Und genau in dieser Zeit war die Siedlung Borysivka eine potente Quelle der volkstümlichen Ikonenmalerei.
Als der Initiator der Ausstellung hatte sich Hierodeacon Yanuariy bekannt gemacht, der Enkel des berühmten ukrainischen Schriftstellers Ivan Hontschar, der 250 Ikonen gekauft und an das Museum übergeben hatte. Die Museumsmitarbeiter hatten die Ikonen von Schmutz und Staub sauber gemacht und verziert von traditionellen ukrainischen Handtüchern mit dekorierter Stickerei zur Schau gestellt.
„Als der Hierodeacon Yanuariy in der Gegend um die Stadt Nizhyn den Auftrag bekommen hatte, Ikonen zu malen, lenkte er seine Aufmerksamkeit auf ihren Stil und auf die Farben der Bilder. Er sammelte Ikonen als Künstler für Künstler, so dass sie die Virtuosität von Zeichnungen und andere Erkenntnisse in ihrer Arbeit nutzen konnten. Yanuariy setzt die Tradition des Mäzenatentums fort, die einst der Familienklan Hontschar-Matvienko startete. Gleich seinem berühmten Großvater Schriftsteller Oles Hontschar unternimmt er alles nach seinen Kräften nur Denkbare, um sicherzustellen, dass die Ikonenmalerei als Phänomen der ukrainischen Kultur nicht verschwindet“, – sagt Tetyana Poshyvailo, stellvertretende Generaldirektorin des Ivan-Hotsnchar-Museums, Kuratorin der Ausstellung.
Während der Reisen durch die Gebiete wie Tschernihivschyna, Kyivschyna, die Gegend um die Stadt Odessa und Tscherkasy-Umgebung während der vier Jahre, um die einzigartige „Borysov“-Ikonen für die Ausstellung zu sammeln, hatte der Autor mehr als hundert ukrainische Dörfer besucht und durchforscht.
Als Tempelgegenstände wurden Ikonen von den Mönchen an den Ikonenmalerei-Schulen bei den Kirchen und Klöstern und unter dem Volk meist von Autodidakten unter Bauern gemalt. Sie wurden zum Verkauf hergestellt, man hatte sie weiter an Kirchen gespendet und danach vielfach auf dem Dachboden von Kirchen und Häusern gelagert.
„Man beschäftigte sich mit der Ikonenmalerei häufig im Familienkreis: der Vater konnte zeichnen, die Frau – Dekorieren und der Sohn sich um andere Details kümmerte, dadurch wurde das Handwerk des Vaters übernommen. Manchmal vereinigten sich Meister zu einer Zeche, um Techniken auszutauschen und ihr Wissen weiterzugeben. Viele Meister betraten die Imperiale Akademie der Künste, was von ihrer Professionalität zeugt“ – erklärt Natalia, die Museumsführerin des Ivan-Hotsnchar-Museums.
In der Vergangenheit gewannen die Ikonen des „Borysivka“ ihre Beliebtheit dank der Originalität der Technologie der Ikonenmalerei, der Dekoration und der ikonografischen Interpretation. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Ikonenmaler des Borysivka-Dorfs in zwei Kategorien unterteilt: Ikonenmaler-„Farbenarbeitern“ und Ikonenmaler „Lychkuny“ (was so viel wie eine Bearbeitungstechnik bedeutet, die weit von der echten Malerei ist – Übers.). Die „Farbenarbeiter“ malten die gesamte Ikone, Kleidung und den Hintergrund während die „Lychkuny“ nur Gesichter (ukr.: Lychko – Gesichtchen – Übers.), Hände und manchmal auch Beine. Die von Meistern angefertigten Bilder zeigen die Beredsamkeit der Geschichten, die Einfachheit des Bildes und der Komposition, sowie die lineare Interpretation der Figuren.
Die Einzigartigkeit der Ikonen von Borysivka liegt in ihrer Versiertheit, welche von den Nonnen des Klosters Tyhvyn erfunden war. Hier kann man eine ganze Reihe interessanter dekorativer Techniken sehen unter Verwendung von Folien, der Prägung, in Velvet und sogar in der Wolle. Die Bilder wurden mit Blumen geschmückt – das Hauptmotiv der ukrainischen Volksikone. Die bekanntesten Geschichten waren die Bilder der Gottesmutter, des Heiligen Nikolaus, des Schutzes der Heiligen Jungfrau.
Am Ende des 19. Jahrhunderts arbeiteten in den Ikonenmalereien der oben erwähnten Slobozhanshchyna etwa 500 Maler. Jede Woche hatte eine Zeche von 18 bis 25 Bildern hergestellt – im Jahr belief sich die Zahl auf satte 750 Ikonen. In den Jahren der unermüdlichen Arbeit wurde in Borysivka um 307.000 Ikonen gemalt. Sie wurden in der Ukraine und auf der Kuban-Gegend, im Kaukasus, in Bulgarien und bis nach Serbien verkauft. Daher kann man die Ikonenmalerei in Borysivka zu einzigartigen künstlerischen Phänomena der Ukrainischen Kultur zählen.
Jedoch redete man lange über Borysivka-Ikonen überhaupt nicht, sie wurden unterschätzt.
„Ich habe noch nie Ikonen mit diesem Design gesehen. Ich bin schockiert. Ein bisschen auf naive, folkloristische Weise gemalt, sind sie aber wunderschön gemacht, ihre Verhältnismäßigkeit beeindruckt und deren Zier ist sehr reich. Die Ikonen sind ein wesentlicher Bestandteil der ukrainischen Kultur. Wenn es früher Alltag und Not war, Ikonen zu besitzen, ist es jetzt ein dekorativer Teil des Lebens. Und ich möchte mehr über dieses Kulturphänomen erfahren“ – teilt begeistert Maryna, eine der Besucherinnen, mit.
„Ich bin in dieser Ausstellung nicht zum ersten Mal gewesen. Ich bin zurückgekehrt, um besser sehen zu können. Ich fühle mich sehr angezogen von dieser Kunst, weil sie mich an meine Kindheit erinnert. Schließlich bin ich gerade in dieser Gegend (an der Grenze zwischen Tschernihiw und Sumy Oblasten der Ukraine) aufgewachsen, und ich habe Ikonen von meiner Großmutter vererbt, also war ich daran interessiert, sie zu vergleichen. Diese Ausstellung ist für mich außergewöhnlich, so viele Ikonen sehe ich zum ersten Mal. Seit vielen Jahren aufbewahrte der Autor diese Schätze, und schließlich können sie uns den ukrainischen geistigen Reichtum bestätigen. Schön, hier zu sein, beruhigt die Seele“ – meint Lyubov, eine Ausstellungsbesucherin.
Offizielle Website: https://honchar.org.ua/
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